Wenn im Stadtrat die Reden zum Haushalt gehalten werden, sind die kontroversen Punkte schon abgeklärt. Hier sind zum Nachlesen die Positionen der GAL im Wortlaut, vorgetragen am 26. Februar 2014 von der Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kramer.
Sehr geehrter Herr OB, meine Damen und Herren,
wir stehen in diesem Jahr vor besonderen Problemen beim Haushalt. Nein, ich meine nicht die Doppik, die verkraften wir inzwischen ganz gut.
Aber selbst die jüngsten Mehreinnahmen reichen einfach nicht für die großen Aufgaben, die wir uns für die kommenden Jahre vorgenommen haben. Offenbar haben viel die besseren Einkünfte überschätzt, vor allem wohl deren Dauerhaftigkeit. Das Ergebnis entspricht nicht dem, was wir uns für ein „nachhaltiges Weinheim“ wünschen. Zur entsprechenden Zukunftsfähigkeit gehört ein verantwortlicher Umgang mit Ressourcen. Diese Sparsamkeit ist aber derzeit nicht zu beobachten.
Ebenso vermissen wir eine klarere Ausrichtung zur Energiewende. Dieser notwendige Blick auf den Klimawandel sollte Maßstab sein für alle Überlegungen zu Sanierungen oder gar Neubauten. Hier macht sich die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit doppelt bezahlt: Sowohl finanziell als auch in Hinblick auf den Schadstoffaustoß werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir hier eine ökologische Sichtweise entwickeln.
Doch zunächst ein Blick auf unsere Zahlen:
Schulden in Weinheim: 2013 – (Städt. Haushalt + Eigenbetriebe: 933,21 (Stadt) + 769,11 (Eigenbetriebe) =)
Pro Kopf-Verschuldung: 1702,32 Euro, immerhin ein kleiner Rückgang von 2012: das waren es 1707 Euro, allerdings beträgt der Mittelwert BaWü 1177 Euro pro Kopf.
Dafür zahlen wir beträchtliche Zinsen:
Zinsen / Einwohner:
Weinheim: 49 Euro pro Jahr, BaWü: 23 Euro pro Jahr.
Diese festen Kosten belaufen sich also auf ca. 2 Mio. pro Jahr. Man darf gar nicht dran denken, was man dafür alles machen könnte.
Die Schulden betragen nunmehr 50 Mio. allein im städt. Haushalt, sie sollen zwar zunächst noch 2 Jahre sinken, aber dann kommen die großen Brocken der Großprojekte in den Haushalt, für die Jahre nach 2017 ist der Schuldenstand gar nicht prognostiziert, aber die Ausgaben gehen nach Plan bis 2019 in die Höhe – das ist länger hin als die normale Mifrifi.
Gleichzeitig schmelzen Rücklagen von jetzt fast 45 Mio. einfach weg. In nur drei Jahren wird es nur noch 1,8 Mio. Liquidität geben, das dürfte der Mindestsatz sein.
Angesichts der immensen Aufwendungen in den kommenden 5 – 6 Jahren kann einem angst und bange werden. Und eine Streckung der Ausgaben ist dabei nur für die kommenden drei Jahre als Rettung anzusehen.
Unsere Großprojekte sind dabei durchaus unterschiedlich in ihrer Dringlichkeit. Ganz oben rangieren Schulen, ganz klar, das sind Pflichtaufgaben, alle stellen doch immer die Forderung nach guter Bildung in guten Gebäuden.
Die marode ASS gehört dabei vorrangig in den Blick.
Die ASS liegt uns nicht nur als Bildungseinrichtung am Herzen. Wir treffen hier auf auch die Ziele unserer lokalen Energiewende, wir müssen hier auch den Klimaschutz beachten. Wir hatten doch alle dem Klimaschutzkonzept zugestimmt, da gehört jetzt auch eine vernünftige energetische Betrachtung dazu.
Wir hatten dazu zwei Moderationsprozesse mit guter Beteiligung, einige Gemeinderatsbeschlüsse und eine Machbarkeitsstudie; daraus folgt nun die sinnvolle Kombination von Kulturzentrum und zwei Schulen. Die funktionale Durchdringung der Gebäudeteile ist Ziel, damit sind Mehrfachnutzungen und auch Folgenutzungen möglich. Hinter diesem Konzept stehen wir, allerdings haben wir Probleme mit der zeitlichen Streckung, die nun vorgesehen ist. Denn das Gebäude der ASS ist wahrlich eine Zumutung für alle NutzerInnen, Kinder wie Erwachsene, und die Energieverluste sind einfach unverantwortlich.
Wir verstehen natürlich die finanziellen Engpässe, die bei dieser großen Aufgabe entstehen, vor allem in den Jahren 2016 und 2017 und darüber hinaus.
Die große Aufgabe des SKZ ist muss also so bewältigt werden, dass die ASS nicht bis zuletzt, also bis 2019, auf den Umzug warten muss. Die Schulleiterin hat mit vielen anderen nochmals auf die Notwendigkeit hingewiesen. Es muss gewährleistet sein, die Abfolge von Bauabschnitten so zu wählen, dass die Albert-Schweitzer-Schule möglichst bald einen Neubau beziehen kann. Die zeitliche Streckung ist also OK, aber nur, wenn die Bauabschnitte so aufeinander folgen, dass die Dringlichkeit des Umzugs der ASS berücksichtigt wird. Im Auftrag für den Architektenwettbewerb ist daher festzuschreiben, dass eine solche Abfolge von Bauabschnitten notwendig ist.
Als weitere Großprojekte werden uns die Karrillonschule und die Hallen belasten. Auch hier ist als erstes wieder eine Pflichtaufgabe zu nennen:
Neben der Karrillonschule wird das neue Archiv gebaut – endlich! Das war schon länger nötig, die Pläne sind überzeugend, die Kosten müssen wir stemmen. Dazu kommt als sozusagen Halb-Pflichtaufgabe ein neues Domizil für die Musikschule in den Räumen der Karrillonschule. Auch das muss sich machen lassen, auch mit VHS-Räumen, auch mit einem Jugendtreff. Das hier vorgesehene zusätzliche „Kulturzentrum“ begrüßen wir sehr, es wird der Nordweststadt im neuen Sanierungsgebiet zum Erfolg verhelfen.
Gut, dass nun in diesem Jahr die Vorplanung für die Hallen in Oflo und Lützelsachsen in den Haushalt kommen, auch die Folgeschritte werden abzuarbeiten sein – und zwar so, dass sowohl ganz Hohensachsen als auch die Vereine in Oflo und LüSa zufrieden sein werden. Wir setzen hier ganz auf die inzwischen verbesserte Kommunikation zwischen Kernstadt und Ortsteilen.
Insgesamt bleibt die Tatsache, dass wir 40 Mio. Euro allein für diese Großprojekte ausgeben wollen, und dass wir die daraus erwachsenden Schulden nicht werden verantworten können. Zusätzlich laufen wir Gefahr, dass nun andere Ortsteile ihre Begehrlichkeiten ebenfalls laut an uns herantragen werden.
Daher unsere beiden Anträge zur Steuererhöhung:
Zwei haben wir eingereicht, angesichts der sonst drohenden übergroßen Schuldenlast.
Mit einer maßvollen Erhöhung der Grundsteuer auf 450 v.H. sind jährliche Zusatzeinnahmen von 500 000 Euro zu erzielen, und zwar gesichert. Unsere zahlreichen Investitionen für Verkehr, Kinderbetreuung und Schulen kommen der ganzen Bürgerschaft zugute, für normale Wohnungen mag das 20 bis 40 Euro Erhöhung sein im Jahr, das ist zumutbar. Das betrifft dann alle Weinheimer, je nach bewohntem Grund.
Zusätzlich stellt die GAL-Fraktion einen Antrag auf Erhöhung der Gewerbesteuer auf 370 v.H. Dies würde je nach Einnahmesituation ca. 1,5 Mio. Euro Mehreinnahmen bedeuten. Wir bieten tatsächlich allen Gewerbetreibenden eine gute und inzwischen sogar verbesserte Infrastruktur, daher ist hier eine Beteiligung der Gewerbesteuerzahler nur gerecht. Im Übrigen liegt Weinheim in der Höhe der Gewerbesteuer im mittleren Bereich. Auch nach einer Erhöhung läge Weinheim noch unter den Sätzen von Leimen, Mosbach und Schwetzingen. Gewerbetreibende und auch die Industrie nutzen bei ihrer Standortpolitik zwar auch das Kriterium der Gewerbesteuerhöhe, aber nachweislich rangiert dies erst auf späteren Rängen: Umfrage haben ergeben, dass Energiepreise, Verkehr und vor allem alle Wohnortfaktoren weitaus wichtiger sind für die Unternehmensentscheidung bezüglich des Standorts. Warum sonst wären immer noch die großen Metropolen mit ihren hohen Steuersätzen die beliebtesten Standorte? Außerdem hat uns die Stadtkämmerei erläutert, dass Unternehmen mit einem Gewinn bis zu 30 000 Euro ca. 30 Euro mehr bezahlen müssten, im Durchschnitt kämen 1% Mehrbelastung auf die Unternehmen zu, gemessen am Gewinn, eine Kapitalgesellschaft mit 100.000€ Gewinn würde ca. 700€ im Jahr mehr bezahlen müssen. Das müsste doch für alle vertretbar sein, die Weinheim eine bessere Einnahmesituation gönnen.
Und eine bessere Einnahmesituation fordert auch das Regierungspräsidium, oder aber eine sparsamere Haushaltsführung. Damit erinnern wir uns an das Haushaltskonsolidierungskonzept und daran, dass die Verwaltung uns versprochen hatte, hierzu einen jährlichen Bericht vorzulegen. Wir warten immer noch gespannt darauf. Sinnvoll wäre auch eine Wiederbelebung der Haushaltsstrukturkommission, und zwar bevor in einigen Jahren der Haushalt wieder in die Knie geht.
Zu einer guten Standortpolitik, die wir ja schon ganz ordentlich betreiben, gehört auch der Verkehr. Große Ausgaben und damit verbundene gute Verbesserungen werden uns in diesem und in den folgenden Jahren beschäftigen. Es geht um die neuen Buslinien, den ZOB, die neue OEG-Haltestelle auf der Brücke (OEG-Brücke?).und endlich um den Ausbau des Bahnhofs zu einem vernünftigen Standard. Nicht alles können oder müssen wir selber finanzieren, aber wir müssen darauf achten, dass alle Verkehrsteilnehmer an den Verbesserungen teilhaben. Gerade auch diejenigen, die unsere Luft nicht belasten und keine Parkplätze brauchen: Fußgängerinnen und Radler entlasten unsere Verkehrssituation und auch unsere Luft. Wenn wir ihnen bessere Bedingungen bieten, kommt das allen zugute, sogar den Autofahrern.
Das gilt auch für die Nutzer des ÖPNV: Hier unterstützen wir die Ausgaben, und wir erwarten dringend die Verwirklichung des S-Bahn Haltepunktes in Sulzbach und würden gerne wissen, wo die Hindernisse liegen. .
Weitere Ausgaben haben wir im Bereich der Schulen und der Kinderbetreuung. Hier geht es nicht nur um eine guten Standortfaktor, hier ist Zukunftssicherung für alle gewährleistet. Wir brauchen aber auch eine seniorengerecht Infrastruktur, die dem demografischen Wandel Rechnung trägt.
Zum Stellenplan:
Zwei neue Stellen gibt es im Hochbau: Das ist verständlich angesichts der großen Planungsaufgaben, die auf die Verwaltung zukommen. Wir regen an, und das gehört exakt dazu, dass eine dieser beiden Stellen vorrangig dazu genutzt wird, Finanzierungen für Weinheim ausfindig zu machen, die aus Landes-, Bundes und EU-Fördertöpfen kommen. Wir haben den Eindruck, dass diese Unterstützungen noch zu wenig genutzt werden – sicher auch eine Kapazitätsfrage. Aber mit den zusätzlichen Stellen sollte sich da mehr machen lassen, unserem Haushalt zuliebe.
Bei den Stellen fehlt uns nach wie vor die Besetzung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten. Ihre Koordination wird von vielen sozialen Gruppen schmerzlich vermisst.
Zum Thema Bürgerbeteiligung möchte ich aus der Landeshauptstadt erzählen:
In Stuttgart läuft nun gerade die Beratungsrunde zum 2. Bürgerhaushalt. Da konnten BürgerInnen und Bürger Vorschläge machen und Vorhandenes bewerten. Dabei geht es zwar nicht um vollständige direkte Demokratie, aber Verwaltung und Stadtratsfraktionen haben hier die Möglichkeit, die Bürgerschaft zu hören und angemessen darauf zu reagieren. Daraus ergibt sich die Chance, ein Meinungsbild zum Haushalt und auch zur Stadtentwicklung einzuholen, bevor Fronten sich verhärten.
So einen Weg sollte es auch in Weinheim geben. Wir haben hier eine immer wachere Bürgerschaft, die mit den bisherigen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung nicht zufrieden ist. Und mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids im Sept. 2013 sind viele hier im Saal nicht zufrieden. Wir müssen also eine bessere Kommunikation ermöglichen. Da wäre ein Bürgerhaushalt ein hilfreiches Instrument, um frühzeitiger auf Bedürfnisse reagieren zu können.
Dabei werden wir auch feststellen, dass es der Einwohnerschaft nicht nur auf bessere Einnahmen ankommt und auf tolle Großprojekte. Gebraucht wird eine zukunftssichere Stadt, die auch den Landschaftsschutz, überhaupt die natürliche Umwelt im Auge hat. Das immerhin sollten wir alle aus dem vergangenen Bürgerentscheid für die Zukunft lernen.
Die GAL macht ihr Abstimmungsverhalten abhängig von Ausgang der Entscheidungen um die vorliegenden Anträge, die uns z.T. sehr kurzfristig zugeleitet wurden.
Ein Dank zum Schluss einer Haushaltsrede gehört offenbar dazu. Daher möchte ich an dieser Stelle all denen danken, die sich für die Lebensqualität in unserer Stadt einsetzen.