Von mutigen Frauen und schnellen Fahrrädern
Ist Feminismus überholt? Ist der Internationale Frauentag überflüssig? Sind denn Männer und Frauen nicht längst gleichberechtigt? Die Weinheimer Grünen gaben darauf am Mittwochabend eine klare Antwort: nein. Vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen sei zwar rechtlich, aber faktisch noch lange nicht erreicht. Anlässlich des Weltfrauentages zeigten sie in Kooperation mit Alfred Speiser im Weinheimer Modernen Theater den saudi-arabischen Film „Das Mädchen Wadjda“. Zuvor sprachen die Vorstandsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen Weinheim, Marilena Geugjes, und Sandra Detzer, die neue Landesvorsitzende der Grünen Baden-Württemberg, über Erreichtes, Aktuelles und Wünschenswertes in der Frauenpolitik.
Noch immer verdienten Männer für die gleiche Arbeit 21 Prozent mehr Geld als Frauen, berichtete Geugjes. Zudem sei lediglich ein Fünftel der Führungspositionen in deutschen Unternehmen von Frauen besetzt. „Um das auszugleichen, braucht es politische Maßnahmen, für die wir Grüne stehen“, so Geugjes. Doch vielmehr müsse auch ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden: „Feminismus bedeutet, Frauen die Freiheit zu geben, sich selbst zu entscheiden. Egal ob für Kinder, für die Karriere, für einen kurzen Rock oder für die Naturwissenschaften.“ Geugjes betonte, dass Feminismus nicht aus verbissenem Geschlechterkampf und grundsätzlichem Misstrauen zwischen Männern und Frauen bestehe. Vielmehr gehe es um Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Dies sei vor allem momentan wichtig, da rechte Parteien, Populisten und Politiker wie Trump ein altes, längst überholtes Frauenbild zurückbrächten, das alle Fortschritte und Entwicklungen zunichtemache, die in den letzten Jahrzehnten von Frauen erkämpft worden seien.
Landesvorsitzende Detzer betonte, dass Gleichstellungspolitik ein wichtiger Bestandteil der baden-württembergischen Landespolitik sei: „Lange war Baden-Württemberg Schlusslicht, aber unter der grün-geführten Landesregierung haben wir die Kleinkindbetreuung um 50 Prozent ausgebaut“, so Detzer. Weiter gehe es nun mit dem Ausbau der Ganztagesschulen und der Förderung für Frauen bei ihrem Wiedereinstieg in den Beruf. Mit dem „Chancengleichstellungsgesetz“ sei 2016 außerdem die Gleichstellung im öffentlichen Dienst gestärkt worden. „Auch im außenpolitischen Bereich haben wir als Land Gestaltungsmöglichkeiten“, erklärte Detzer. Baden-Württemberg habe ein Sonderkontingent von Frauen und Mädchen aus dem Nordirak und Syrien aufgenommen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden und dadurch schwer traumatisiert seien. Darunter war auch die 23-jährige Jesidin Nadia Murad, die kürzlich zur UN-Sonderbotschafterin ernannt wurde.
Der anschließend gezeigte Film „Das Mädchen Wadjda“ handelt von den Lebensbedingungen saudi-arabischer Frauen. Er wurde selbst von einer Frau gedreht und ist der erste Film, der unter saudi-arabischer Regie und an saudi-arabischen Drehorten entstanden ist. Ein kleines Wunder, also. Die Hauptfigur, Wadjda, möchte nicht einfach hinnehmen, dass Frauen in Saudi-Arabien kein Fahrrad fahren dürfen. Sie kämpft für ihr eigenes Rad und rüttelt damit an uralten Konventionen. Leise und doch sehr eindrücklich macht dieser Film betroffen und hoffnungsvoll zugleich und zeigt einmal mehr, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen noch lange nicht erreicht ist.