Es gibt Gutachten zum Klimaschutz, zum Einzelhandel, zum Lärmschutz. Ein Sozialgutachten fehlt in Weinheim. Das war die einhellige Meinung der TeilnehmerInnen am Werkstattgespräch der GAL am 24. November 2014 im Rolf-Engelbrecht-Haus. Wie soll eine „offene Stadtgesellschaft“ aussehen, in der gegenseitiges Helfen alltäglich ist? Wie sind Stadtquartiere zu gestalten, die ein Miteinander in nachbarschaftlicher Unterstützung ermöglichen?
Wie ist eine soziale Durchmischung zu erreichen, die dem Bedürfnis nach Teilhabe Rechnung trägt? Brauchen wir ein Quartiersmanagement, das kommunikativ und moderierend hilft? Diese Fragen hatten sich die Aktiven vorgenommen und als Experten VerteterInnen der Sozialverbände und des Sozialamtes des Rhein-Neckar-Kreises eingeladen. Hier ist nun der Bericht der Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kramer:
Ein Werkstattgespräch der GAL zum Thema „Soziale Lagen“ in Weinheim war breit besucht. Aus ganz unterschiedlichen Beiträgen ergab sich ein ziemlich übereinstimmendes Bild zu prekären Lagen und auch Armut in einer wohlhabenden Stadt. Beigetragen dazu haben für die Caritas Ulrike Hermann, für die Diakonie Anne Hansch und für die AWO Rhein-Neckar Erika Fabian. Eingeladen hatte die GAL-Fraktion mit ihrem Stadtrat Dr. Andreas Marg als Experte für soziale Nachhaltigkeit.
Das Bild der Stadt Weinheim zeigte durch viele Beispiele und auch durch Zahlen nicht nur positive Farben: Es gibt hier viele Menschen mit gutem oder auch höherem Einkommen, der Wohnort ist begehrt. Übersehen wird dabei aber leicht, dass die entsprechend hohen Mieten für viele andere unerschwinglich sind. Erschreckend viele geraten in eine Schuldenfalle, viele weichen in Nachbarorte aus, wobei ihnen oft soziale Kontakte abreißen.
Dabei sind die Menschen, die in eine soziale Schieflage geraten, selten „selber schuld“. Nach Trennungen oder Todesfällen, durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit kann ziemlich plötzlich aus einer vorher intakten Lebenssituation eine Problemlage werden. Die Schuldnerberatung der Diakonie kennt sich da ebenso aus wie die Baugenossenschaft oder die Stadt Weinheim, die auch beim Werkstattgespräch vertreten waren.
Das Bild zeigt dann an die 600 Weinheimer Familien und Einzelpersonen, die auf Wartelisten stehen für günstigen Wohnraum bei der Stadt oder der Baugenossenschaft. Das sind junge Leute, die gerne in ihrer Heimatstadt bleiben wollen, und auch Ältere, die auf dem freien Wohnungsmarkt kaum Chancen sehen. Es fehlen hauptsächlich kleine Wohnungen, aber auch größere für Familien.
Auf der anderen Seite, so wurde von Christine Münch berichtet, gäbe es etliche Leerstände, weil Hausbesitzer an Vermietungen aus verschiedenen Gründen nicht interessiert seien. Hier fehle eine unterstützende Beratung, um Barrieren zu überwinden und auch während der Vermietung vermittelnd zur Seite zu stehen.
Was aber noch mehr fehlt, ist eine Überblick über die soziale Situation in Weinheim. Während es Gutachten gäbe zum Einzelhandel, zum Klima- und zum Lärmschutz fehle uns für die weitere Stadtplanung ein Sozialgutachten, so die übereinstimmende Meinung von Fachleuten und dem sozial interessierten Publikum. Schließlich dürften bei der Sanierung des großen Gebietes „Westlich Hauptbahnhof“ nicht nur bauliche Aspekte in die Planungen einfließen. Eine sozial und altersmäßig sinnvolle Mischung der neuen Bewohner käme der Wohnqualität für alle entgegen, als Voraussetzung für ein gesundes Miteinander. Dazu passte die Anregung, dass der Rhein-Neckar-Kreis als wichtiger Eigentümer und Sozialhilfeträger einige Flächen im Sanierungsgebiet entsprechend günstiger für sozialen Wohnungsbau abgeben sollte.
Aus dem Publikum kamen noch qualifizierte Prognosen: Die Altersarmut gerade bei Frauen werde enorm steigen und damit auch der Bedarf an günstigem Wohnraum. Selbst der Mindestlohn werde das kaum mildern. Als positives Beispiel wurde die Bahnstadt in Heidelberg genannt: Da werde in einem Kerngebiet gezielt eine soziale Durchmischung gefördert. Gerade für solch eine Zielsetzung wäre ein Sozialgutachten hilfreich. Keineswegs müsse, so die Meinung des Publikums wie auch der GAL-Fraktion, das geforderte Gutachten durch die Weinheimer Verwaltung selbst erstellt werden. Hilfreich wäre so ein Gutachten aber für alle Planungsvorhaben der Stadt.