Stellungnahme der Stellvertretenden Bundesvorsitzenden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ricarda Lang zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen
Jede achte Frau in Deutschland war im letzten Jahr von sexueller Belästigung betroffen. Alle drei Tage geschieht hierzulande ein Femizid, wird eine Frau durch Partnerschaftsgewalt getötet. Diese erschreckenden Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Am 25. November wird weltweit aufmerksam gemacht auf die vielfältigen Formen der Gewalt gegen Frauen. Dazu gehören häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, die in Konfliktgebieten oft als gezieltes Kriegsmittel eingesetzt wird, Zwangsverheiratung, Ehrenmorde und Genitalverstümmelung. Die neueste Ausprägung ist der Frauenhass im Netz, der von frauenverachtender Sprache bis zur Androhung von Vergewaltigung und Mord reicht. Dieser Aspekt wurde 2015 im Strafgesetzbuch als Straftatbestand verankert. Aufgrund mangelnder Zuständigkeiten und technischem Wissen auf Seiten der Polizei gestaltet sich die Verfolgung aber schwierig, wird in der Presseerklärung bedauert. Ein großer Fortschritt gegen Gewalt ist die 2011 auf europäischer Ebene verabschiedete Istanbul-Konvention gewesen, ein Menschrechtsabkommen zur Verhütung geschlechtsspezifischer Gewalt. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung allerdings sechs Jahre Zeit gelassen und weigert sich bis heute, Artikel 59 umzusetzen, der geschlechtsspezifische Fluchtgründe gewaltbetroffener Migrantinnen als schutzwürdigen Tatbestand benennt.
Auch der „Internationale Vertrag gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz“, im Juni 2019 von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beschlossen, ist nicht ratifiziert. Gewalt bei der Arbeit zwingt Frauen zu einem Arbeitsplatzwechsel oder zum „Durchhalten“, was gravierende psychische Folgen hat. Häufig übersehen sind auch wirtschaftliche Folgen. Medizinische Behandlung, Arbeitsausfälle, Polizeieinsätze, Prozesskostenhilfe, Strafvollzug, Frauenhäuser, Kinderschutz belaufen sich nach wissenschaftlichen Berechnungen der TU Cottbus auf jährlich 3,8 Mrd. Euro – allein in Deutschland. Dass Frauenhäuser irgendwann überflüssig würden, war die Hoffnung der Initiatorinnen der ersten Einrichtung 1976 in Berlin. Leider ist ein Ende der Misshandlung von Frauen durch häusliche Gewalt nicht abzusehen.
Ganz aktuell gibt es zum 25.11. dieses Jahres den von parteiunabhängigen Einzelpersonen und Gruppen an die Bundesregierung und die Europäische Kommission gerichteten Appell „Gegen Geschlechterapartheid und jeden Extremismus!“ Darin wird angeprangert, dass, wie auch im rechtsextremen Milieu, die Entmenschlichung von Frauen elementarer Bestandteil islamistischer Ideologie sei. Geschlechterapartheid fange da an, wo die Trennung der Geschlechter gefordert und durchgesetzt und wo Frauen und Mädchen gedroht werde, wenn sie ihre Freiheitsrechte ausüben wollten.