Wie nachhaltig könnte Weinheim werden?
Die großen Entscheidungen über unsere ökologische Zukunft werden anderswo gefällt: Die EU entscheidet über die Agrarpolitik, in Berlin wird die Autopolitik, ja, die gesamte Mobilität mitsamt der Energie- und Klimapolitik geregelt. Auch Stuttgart kann Weichen stellen, das ist nicht zu unterschätzen. Im Naturschutz, auch bei Energieversorgung und Mobilität reden die Bundesländer mit.
Und unsere Weinheimer Kommunalpolitik? Auch sie sollte sich um das Klima kümmern, im Sinne der Gesundheit unserer Einwohnerschaft. Natürlich ist gegenwärtig das Thema Corona das größere Gesundheitsthema. Aber die Klimakrise wird überdauern und muss gerade jetzt eine Richtlinie darstellen.
Da fallen mir drei Weichenstellungen an, die wir verpasst haben bzw. noch nutzen sollten.
- Bei der Energieversorgung im Baugebiet Westlich Hauptbahnhof kann man nichts mehr verbessern, so hieß es. Die Weichen wären 2017 gestellt, da haben die Investoren ihre Richtlinien erhalten, nun ist das festgelegt auf das gesetzliche Minimum an erneuerbarer Energieversorgung. Zwar haben wir gerade in den letzten Jahren viel gelernt über die beschleunigte Erderwärmung, die weitaus schneller geht als in den düstersten Prognosen. Aber wir hier sind noch in den alten Regeln gefangen. Klimaneutralität? Was anderswo geht, rückt bei uns selbst bei Neubauten in weite Ferne.
- Die zweite Weichenstellung wurde verpasst, als wir im Gemeinderat die Kriterien für die Vergabe von Gewerbegrundstücken im Gebiet nördlich der Moschee festgelegt haben. Der Run auf das Gebiet ist längst nicht so heftig wie angekündigt, aber es gibt besonders beliebte Grundstücke, für die sich eine Gewichtung des Kriterienkatalogs lohnt. Wer soll den Zuschlag bekommen? Zählen soll die Gewinnerwartung, also unsere Hoffnung auf Einnahmen der Gewerbesteuer. Außerdem die Zahl der Arbeitsplätze pro Fläche mitsamt der Qualifikation der Belegschaft. Alles wichtig, keine Frage. Wir hatten im Gemeinderat Wert gelegt auf ein Gleichgewicht mit den Kriterien der Nachhaltigkeit: Wie zukunftsfähig, wie innovativ ist die Bewerbung? Und wie geht sie mit dem Thema Energie und Emissionen um? Diese beiden letzten Kriteriengruppen wollte der Gemeinderat aber nicht als gleichwertig anerkennen. Dabei ist die Gewinnerwartung, das sehen wir gerade jetzt, ausgesprochen unsicher. Die Art der Energieversorgung ist stabiler. Immerhin hat jetzt Stuttgart die Weichen für gewerbliche Neubauten gestellt, da wird eine Solarpflicht für die Dächer gelten.
- Nun zu unserer dritten Weichenstellung, die Weinheim noch bevorsteht, und die wir nicht verpassen sollten. Gerade in diesen schönen Sonnen- und Krisentagen sehen wir viele Radfahrende innerhalb und außerhalb der Stadt. Die Abstellplätze am Dürreplatz und anderswo sind schon morgens zugestellt, es trauen sich immer mehr Menschen aufs Rad. Damit das auch dauerhaft so bleibt, brauchen wir bessere, vor allem sicherere Radwegeverbindungen, die auch Kindern und Älteren ein gutes Gefühl vermitteln. Hier sind die Anfänge zu zaghaft, dabei gibt es Fördergelder gerade für diesen Bereich, der Gesundheit und Klima positiv beeinflussen kann. An vielen einzelnen Abschnitten sind kleine und mittlere Verbesserungen bald möglich: Radabstellanlagen am Marktplatz oder Markierungen von Schutzstreifen entlang von größeren Straßen. Größere Konzepte wie die Radschnellwege für Pendelnde nach Mannheim, Heidelberg und Darmstadt sind auf den Weg und sollten beschleunigt werden. Hier hat der ADFC mit seiner Weinheimer Ortsgruppe viele Ideen, die mit den Stadtplanern hoffentlich bald konkretisiert werden können.
Gespannt sind wir auf die neue Besetzung im Klimamangement der Stadt. Zwar gibt es nur eine halbe Stelle, aber die vielfältigen Aufgaben sollten auch den die Verkehrswende umfassen, für ein radfreundliches Gesicht unserer Stadt. Aber auch Busse und Bahnen sind in ihrem Takt besser zu verzahnen, Car-Sharing ist attraktiver zu gestalten, und zu Fuß Gehende brauchen mehr Berücksichtigung.
Wir müssen also wachsam bleiben, weitere Weichen stehen uns bevor. Sie sind auch in Weinheim im Sinne des Klimaschutzes zu stellen, damit unsere Kinder und Enkel gerne und gesund auf dieser Erde leben.