Unter dem Titel „Wenn Genmais, Chlorhühnchen und Hormonfleisch drohen“ berichten die Weinheimer Nachrichten am 21. Mai über den grünen Info-Abend im alten Rathaus:
Weinheim. Es wird Zeit für einen massiven Protest, sagen Brigitte Rosenberger von der Bürgerrechtsvereinigung ATTAC und Tobias Staufenberger vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Rhein-Neckar-Odenwald. 60 Besucher hören ihnen im Alten Rathaus bei einer Veranstaltung der Grünen zu, als sie die Folgen des transatlantischen Freihandelsabkommens als große Gefahr für Arbeitsrechte, Verbraucherschutz und Umweltschutzbestimmungen schildern.
Dass seit Juli 2013 hinter verschlossenen Türen verhandelt wird und das EU-Parlament weitgehend außen vor bleibt, kritisiert an diesem Informationsabend Landtagsabgeordneter Uli Sckerl und kündigt für das Land Baden-Württemberg an: „Notfalls klagen wir!“
Undurchsichtig ist für die Kritiker des kurz als TTIP bezeichneten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA die Rolle der Wirtschaftslobbyisten. In einem zu Beginn gezeigten Beitrag des Politmagazins „Report“ wird von einem Generalangriff auf Verbraucherrechte gesprochen, weil Qualitätsstandards auf dem Spiel stehen.
Export wird durchgesetzt
Hormonbehandeltes Fleisch, genmanipulierter Mais oder Hühnchen aus in den USA erlaubten Legebatterien, die vor dem Verkauf im Chlorbad desinfiziert werden: Die amerikanischen Erzeuger könnten in solchen Fällen den Export gerichtlich durchsetzen wenn TTIP inkraft tritt. Auch die Gentechnik-Kennzeichnung bei Lebens- und Futtermitteln soll abgeschafft werden.
Befürchtet wird, dass über das Investor-Staat-Schiedsverfahren der Umwelt- und Verbraucherschutz in europäischen Staaten dramatisch eingeschränkt wird, denn bei jeder Gesetzesänderung könnten Unternehmen Staaten auf Entschädigung verklagen, wenn sie erwartete Gewinne bedroht sehen.
Die Zahl der internationalen Schiedsverfahren ist drastisch gestiegen. 2012 gab es 514 laufende Verfahren. So verklagte der Tabak-Konzern Philip Morris Australien wegen der dort geforderten Warnhinweise auf Zigarettenpackungen. Kanada wird von einem Fracking-Konzern vor ein Tribunal zitiert. Der Öl- und Gaskonzern klagt auf Entschädigung in Höhe von 250 Millionen Dollar.
Auch auf Klimaschutz- oder Datenschutzbestimmungen kann sich TTIP auswirken, stellt Brigitte Rosenberger fest, und Tobias Staufenberger spricht von einer Investment-Schiedsgerichtsbarkeit. Uli Sckerl: „Es geht um knallharte Konzerninteressen. Die Rechte der Mitgliedstaaten und der Bürger stehen auf dem Spiel.“
Gewinne für Wenige
Befürworter von TTIP sprechen von Wirtschaftswachstum durch das liberalisierende Abkommen zwischen den USA und Europa. Außerdem würden Arbeitsplätze geschaffen. Eine Gewissheit dafür gibt es nicht, halten die Gegner entgegen und verweisen auf eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung. 2012 gingen durch das zwischen Südkorea und den USA geschlossene Freihandelsabkommen innerhalb eines Jahres 40 000 Arbeitsplätze verloren. Nach dem Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko sanken Löhne in den USA und Kanada. Nicht allgemeiner Wohlstand, sondern Gewinne für Wenige wird befürchtet.
Auch wenn die Information im Alten Rathaus nicht als Wahlkampfabend verstanden wird. Für die Europawahl ist er trotzdem relevant, denn das EU-Parlament ist zwar nicht in die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen involviert, aber es entscheidet am Ende, ob es kommt oder nicht.
Also empfehlen die Gegner einen Kandidaten-Check im Internet. Unter www.ttipcheck.eu kann jeder die Kandidaten auffordern, Farbe zu bekennen. Einige haben sich auch schon zu den vom BUND vorgegebenen Fragen geäußert. dra